Über MEMORY/CAGE EDITIONS

Wie mal jemand sagte: Ein Buch kann man nicht im Auto anschauen, so wie man Radio hören kann. Eine nicht sehr schmeichelnde Perspektive für das Medium Buch. Weil es sozusagen nicht die richtige Konsumtions-schieflage für den modernen Verbraucher einnimmt? Auch als Verleger durchfährt es


einen früher oder später, wie paläolitisch das Buch-Medium unter den heutigen digitalen Formationen scheinen muss. Das Buch: eine ferne Gutenberg-Sonde, und am Himmel der Reproduktionstechnologie glühen längst hellere Sterne.




Wendet man den Blick von diesem virtuell schimmernden Himmel ab, liegt darunter eine Landschaft, die so stark sich nicht verändert hat. Irgendwo rechts hinten, nah am Horizont, vielleicht auch gleich links hinter diesem ersten niedrigen Hügel, findet man die artist’s books, Künstler-



bücher und – schaut man sich um – etwas davon entfernt die Ausstellungskataloge. (Hier ein persönlicher Dank an die 60er Jahre, als die Pflanze artist’s book jung war und zart und schon kräftig.)




Klar, das artist’s book ist eine "minoritäre", also eine kleine Form, ein Gewächs im Wald der Bücher. Und sonst? Im Genre des artist’s book entspricht das Medium einer Denkform. Einer Disposition für die Rezipienten. Denkdisposition: Sprachlich. Visuell. Es ist nicht bloss Container für Inhalt, Behältnis. Auch ist es nicht formalen Vorgaben eines bestimmten Genres unterworfen,



nicht einmal bzw. erst recht nicht seinen eigenen (vergleiche auf der anderen Seite etwa das übliche Erscheinungsbild belletristrischer Titel). Das artist’s book übernimmt nicht, sondern erfindet eine Form, muss dies. Weshalb? Antwort: Ein spezifisches Denken bringt eine spezifische Form hevor, einschliesslich Camouflage, Verführung, Spiel mit Erwartungshaltungen.




Doch etwas zum Begriff "spezifisch". MEMORY/CAGE EDITIONS ist ein Projektverlag: Jedes Projekt, jede Publikation, deutet im besten Fall das Medium Buch selbst um. Wie das geht? Die Künstler und Künstlerinnen bestimmen die Darstellungsregister: visuelle, literarische und/oder theoretische. Wobei die Grammatik des Mediums überdacht wird –



hier die Zeitlichkeit der aufeinander folgenden Seiten, da die Räumlichkeit der einzelnen Seiten und aller Seiten zusammen genommen. Also Reflexion über visuelle Erzählweisen oder solche der Sprache. Montage von Bild und Schrift.. Kombination gewisser Bild- und Textsorten etc.




Und nicht zuletzt: Das artist’s book ist pragmatisch ausgerichtet, einschliesslich seiner Abwandlungen und erweiterten Versionen. Motto: "Learn to read art". (Our thanks go to Lawrence Weiner.) Die Nachricht wird auf dem direktesten Weg übermittelt – was nicht heisst, dass sie nicht komplex sein darf. (So sind Nachrichten bekannt vom Typ "Über die allmähliche Verdrehung der Stadt angesichts einer unauffälligen Lache" oder "Die



unerträgliche Leichtigkeit bei der Durchstossung des Himmels entlang haarfeiner Fäden aus Metall" etc.) Und weil Abgrenzungen manchmal verlangt werden, noch dieser Hinweis: Die luxuriöse Inszenierung des Mediums Buch ist Sache der französischen Tradition mit den livres d’artiste, welche aus dem Buch ein preziöses, exklusives Objekt der Begierde macht. Also nicht unser Handlungsraum.




Zurück zu jenem Handlungsraum, an dem das Künstlerbuch teilhat. Es ist eine Welt innerhalb der Welt, eine Szenerie innerhalb einer grösseren. Die von unserem persönlichen Conférencier etwa so angepriesen würde: "Wenn Sie an unkultivierter Orientierungslosigkeit im Kulturangebot leiden – wenn Ihnen die hoch spezialisierten Fachbegriffe der noch höher spezialisierten Kunstwelt Angst machen oder Sie sie lachhaft finden – wenn sie an Ihrer subjektiven (objektiven?) Isolation in der mobilen Gesellschaft tragen – wenn



der Klammergriff Ihres automatisierten, aber die Aufmerksamkeit zersplitternden Tagesablaufs zu Atembeschwerden führt – wenn Sie also zu Kultur, Kunst, Gesellschaft, Alltag und Lifestyle hin streben und dabei die Vorteile ohne die Nachteile ersehnen – dann ist das artist’s book angesagt, beispielsweise in seiner von uns vorgeschlagenen allerphysischsten oder unterphysischen Form, weil annähernd ohne Anstrengung verbunden, und damit ans Immaterielle grenzend…"




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